Die Zauberflöte von Mozart und Shikaneder ist ein Glücksfall der Geschichte. Sie bietet wie kein anderes Kunstwerk für Groß und Klein eine fantastische Möglichkeit an die Grundthemen des Lebens, der Bildung, des Zusammenlebens sich zu nähren und sich damit auseinanderzusetzen.
Jede vier Jahre ca. vier Monate lang beschäftigen sich die Kinder und die Jugendliche mit der Oper. Dazu gehört Opernbesuch (Deutsch Oper), Musik hören und Libretto lesen, Puppeninszenierung als Film anschauen. Und natürlich bildnerische Auseinandersetzung mit den Themen und Szenen der Oper, sowie Entwurfsarbeit zum Bühnen- und Kostümbild. In der Ausstellung zeigen wir eine Auswahl der Kinderarbeiten, die in diesem Rahmen entstanden sind.
Hier, als Untermauerung für unsere Faszination und Bildungspotential der Oper einige Zitate aus Jan Assmanns Buch "Die Zauberflöte. Oper und Mysterium".
Die Handlung der Oper stellt ein Vorgang dar,
„(...) in dem es vor allem um den Prozess einer vervollkommnenden Verwandlung geht...
Subjekt dieser Verwandlung sind (...) nicht die Bühnencharaktere wie die Königin der Nacht und Sarastro, sondern das „Selbst“ des Initianden, der einen Perspektivenwechsel oder Sinneswandel unterworfen wird. Diesen Sinneswandel sollen auch die Zuschauer mitvollziehen...
Die Zauberflöte bringt ein Ritual auf die Bühne und läßt es nicht nur vor den Zuschauern ablaufen, sondern bezieht diese auch auf eine ebenso subtile und wie intensive Weise in dieses Ritualgeschehen ein. Das ist der ästhetische Kerngedanke, der dieser Oper zugrunde liegt und aus dem sich alles andere, ihre sprachliche und musikalische Dramaturgie ergibt. die Idee ist ebenso singulär wie genial; ich kenne keine andere Oper, die so ausschließlich als Vollzug eines Rituals gestaltet ist... Zugleich unterlegt die Zauberflöte das Ritual, das sie auf die Bühne bringt, mit einem doppelten Boden in Gestalt der Papageno-Handlung, die ihr dieses vexierbildartige Schwanken zwischen Märchen und Mysterium, Kinderoper und Bühnenweihfestspiel verleiht. Die Zauberflöte wendet sich an ein heterogenes Publikum: Kinder und alte Menschen, einfache Leute und Gelehrte, Profane und Eingeweihte und reproduziert damit in ihrer ästhetischen Doppelbödigkeit die doppelbödige Struktur, die man mit in der zeitgenössischen Mysterientheorie mit den heidnischen Religionen, insbesondere mit der ägyptischen Religion, verband...
Sie (die Oper) stellt ihren Kunstcharakter zur Schau und läßt über der ästhetischen Präsenz des Signifikanten das Signifikat, die Handlung, in den Hintergrund treten. Immer wieder wird die voranschreitende Handlung gleichsam aufgestaut und in Präsenz verwandelt. Etwas Ähnliches unterscheidet das rituelle vom Alltagshandeln. Das Alltagshandeln findet seinen Sinn im Zweck, so wie der Weg in angestrebten Ziel. Beim Ritual dagegen kommt es auf das Wie der Ausführung, auf jede Geste, auf Intonation und Wortlaut an. Auch das rituelle Handeln ist zielgerichtet, aber dieses Ziel läßt sich nicht auf die eine oder die andere, sondern nur auf die genau vorgeschriebene Weise erreichen; hier gilt die Devise „Der Weg ist das Ziel“. Das Ritual ästhetisiert das Handeln und stellt gegenüber seiner zweckbezogener Zielstrebigkeit seinen Vollzug in jedem seiner Momente in den Vordergrund. Es gibt also eine geheime Wahlverwandtschaft zwischen der Oper und Ritual, aus der die nicht seltenen Ritualszenen in Opern ihre besondere Wirksamkeit beziehen und auf der wohl auch das wirkungs- und resonanzästhetische Geheimnis der Zauberflöte beruht. Die Oper ist, wenn man so will, ein ritualisiertes Drama, und die Mysterienoper wäre als ritualisieret Oper zu verstehen. In diesem Zusammenhang ist es aufschlußreich, daran zu erinnern, daß das antike Drama aus dem Ritual und die Oper im Florenz des ausgehenden 16. Jahrhunderts aus dem Gedanken hervorgegangen sind, das antike Drama in seiner rituellen Urgestalt wiederherzustellen. Diese verborgene Allianz zwischen Ritual und Oper scheint mir ein wesentlicher Grund dafür zu sein, daß die Zauberflöte trotz aller Widersprüche, die sich aus dem Verschwinden und Vergessen ihres geistigen Umfeldes ergeben, eine so überzeugende und faszinierende Wirkung entfaltet.“