Le Corbusier

Bildente Kunst kann man als einen Teil der Baukunst betrachten. Die erste kann davon nur profitieren. Die ältesten bekannten Gestaltungslehren, die aus Alt-China und Alt-Indien stammen, sind Lehren über den Hausbau. Das ganze Wissen, was eine Kultur besitzt, von der Stern- bis zur Baustoffkunde, kommt im Hausbau zum Tragen.
Als ich die Capelle in Ronchamp 1975 zum ersten Mal auf einem Foto sah, war ich sofort in sie verliebt, ähnlich wie der Prinz aus der Zauberflöte in das Bild der Tochter der Königin der Nacht.Corbusier war für mich, wie für viele andere Architekturstudenten, ein Gott. 2012 war ich in Ronchamp und habe die „Geliebte“ aus meiner Jugend „in Fleisch und Blut“ unter freiem Himmel gesehen. Davor war ich sehr aufgeregt. Ich hatte Angst vor Enttäuschung, die ich von anderen ähnlichen Begegnungen bereits kannte. Aber ich war nicht enttäuscht! Es war genau so wie ich es mir vorgestellt bzw. gewünscht hatte. In Corbusiers Spätwerk feiern Erde und Himmel ihre Hochzeit. Das ist Architektur des unsichtbaren rechten Winkels, wo die Haptik, das Emotionale und das Geistige sowie die Wissenschaft und die Poesie eine harmonische Einheit bilden. Aus diesen und vielen anderen Gründen bietet das Spätwerk von Le Corbusier eine großartige Möglichkeit, Kinder und Jugendliche an die Baukunst heranzuführen sowie sie mit dem „Projekt der Moderne“ bekannt zu machen. Das schwerste und das größte Buch in der Malschule ist eine Monografie über das Gesamtwerk von Le Corbusier. Eine Bildungsreise nach Ronchamp ist für 2021 eingeplant.

Dass schon kleine Kinder gerne bauen, wissen alle. Und dass Bauen für die vielseitige Entwicklung der Kinder sehr wichtig ist, gehört auch zum Allgemeinwissen. Bauen ist natürlich. Fürs Bauen haben wir, wie die Tiere auch, ein Instinkt.
Oft stelle ich mir die Frage, warum die Baukunst nicht zu den Grundfächern der Oberschule gehört. Oder sogar der Grundschule. Sie bietet doch so viele Möglichkeiten dafür, Wissen praktisch zu erfahren, Wissenschaften miteinander zu verbinden, sie führt am natürlichsten in die Kulturgeschichte ein, sie lehrt uns, das Überlieferte zu schätzen und entwickelt den Sinn für Ordnung und Improvisation.